Demonstration in Tel Aviv:
Halb voll oder halb leer?
10.000 Israelis wagten sich, trotz der Angst vor Anschlägen, auf eine
Massenveranstaltung, um für eine politische Lösung zu demonstrieren
Von Andrea
Übelhack
Gestern
Abend fand in Tel Aviv eine Demonstration der Friedenskoalition, einem
Zusammenschluß einzelner Friedensinitiativen, geführt von Schalom
Achschaw, statt. Etwa 10.000 Menschen waren zum Rabin-Platz gekommen und
zogen dann in einem friedlichen Marsch vor das Verteidigungsministerium.
10.000, das
sind, angesichts der verzweifelten Lage, vielleicht nicht wirklich viele
Menschen. Andererseits sind es 10.000 Menschen, die sich trotz der Angst
vor Anschlägen auf eine Massenveranstaltung gewagt haben, um ihre
politische Meinung zu äußern.
Und der Zug sah
dann auch gewaltig groß aus, wie er sich durch die Ibn Gvirol-Strasse
zwängte. Fackeln und Schilder wurden geschwenkt, die bekannten Sprüche
skandiert: "LeShalom - Yallah Yallah, lazet
miJad miRamallah" (Für den Frieden, sofortiger Rückzug aus
Ramallah) und "Shalom - ken, Kibusch - lo"
(Frieden ja, Besatzung nein)! Auffällig viele israelische Araber waren
diesesmal dabei, wesentlich mehr als bei anderen Schalom Achschaw
Veranstaltungen. Spätestens seit dem Anschlag in Haifa, wo sich ein
palästinensischer Selbstmordattentäter in einem arabischen Restaurant in
die Luft sprengte, ist klar, daß sie ebenso von der Situation betroffen
sind.
An einem
Parkplatz hinter dem Verteidigungsministerium sammeln sich dann alle vor
einer kleinen Bühne. Verschiedene Redner treten auf, darunter Mitglieder
von Meretz und Yael Dajan von der
Arbeitspartei. Sie alle sagen nichts neues, aber der Tonfall wird
eindringlicher, auch verzweifelter. Sie alle schlagen neue Verhandlungen
auf Grundlage der saudischen Initiative vor. Und natürlich den
sofortigen Rückzug aus den besetzten palästinensischen Gebieten.
Yael Dajan von der
Arbeitspartei
Die israelische Flagge war überall präsent
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Zum Abschluß,
nach dem Shir
leShalom, dem Friedenslied, das auf allen Veranstaltungen
gesungen wird, stimmen alle gemeinsam zur Nationalhymne, der
haTikvah, an. Unter den Vertretern
auf dem Podium auch Knesseth-Sprecher Avraham Burg. Die Hymne ist ein
Streitpunkt zwischen den verschiedenen Friedensinitiativen. Das Argument
von Schalom Achschaw ist, daß man die nationalen Symbole, also Hymne und
Flagge, auf keinen Fall den Rechten überlassen darf. Für den Frieden zu
demonstrieren, bedeute schließlich nicht, gegen den Staat Israel zu
sein, ganz im Gegenteil, man fürchtet um seine Existenz und seine
Zukunft.
HaTikvah - in der Mitte Avraham Burg
10.000 Menschen also. Für die
nächste große Demo, am 11. Mai auf dem Rabin-Platz, möchte man 20.000
zusammenbekommen. Aber auch dieser Abend war ein Erfolg. Das Glas ist
immer halb voll oder halb leer. Gestern war es halb voll, denn die
Hoffnung, daß es auch eine andere Lösung geben kann, wurde wieder
gestärkt.
Wird Israel endgültig
Militärstaat?
Staat der Armee?
hagalil.com / 07-04-2002 |