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"Ich, Oskar Schindler":
Briefe aus einem vergessenen Koffer

Andrea Übelhack
 

Emilie Schindler "Schindlers Liste" - Steven Spielbergs Film, ausgezeichnet mit sieben Oscars, hat vor einigen Jahren viel Aufsehen erregt. Der Film erzählt die wahre Geschichte eines Geschäftsmannes, der sich im Laufe des Krieges zum Judenretter wandelt. Der Fall Schindler beschäftigt momentan in einem ganz anderen Zusammenhang ein Stuttgarter Gericht. Emilie Schindler, die Witwe von Oskar Schindler klagt gegen die "Stuttgarter Zeitung" im Streit um den Nachlass ihres Mannes.

1999 wurde im Haus der letzten Geliebten Oskar Schindlers, Ami Spaeth, ein Koffer mit verschiedenen Dokumenten gefunden, darunter auch eine der berühmten Liste mit den Namen der geretteten Juden. Die "Stuttgarter Zeitung" hatte über den Koffer berichtet, einige Dokumente veröffentlicht und schließlich Koffer samt Inhalt an die Gedenkstätte Jad waShem in Jerusalem übergeben.

Emilie Schindler sieht sich als Alleinerbin des Nachlasses ihres Mannes und möchte daher durch die Zahlungs- und Unterlassungsklage Schadensersatz für entgangene mögliche Einnahmen durch eine Veröffentlichung der Dokumente erhalten.

Aufgrund des hohen Alters und der wirtschaftlichen Notlage Emilie Schindlers empfahl das Gericht einen Vergleich, zu dem sich auch die "Stuttgarter Zeitung" bereit erklärte. Die Parteien haben nun drei Wochen Bedenkzeit.

Ob die Veröffentlichung des Nachlasses durch Emilie Schindler tatsächlich ein Bestseller geworden wäre, sei dahingestellt. In jedem Fall bieten die Briefe und Dokumente die Möglichkeit, eine umstrittene Persönlichkeit näher kennenzulernen und Einblick in die Gedankenwelt Oskar Schindlers zu bekommen.

Erika Rosenberg, die Biografin von Emilie Schindler, erhielt alle Rechte, die Briefe und Dokumente aus dem Koffer für ein Buch zusammenzustellen, das schließlich im vergangenen Herbst beim Herbig Verlag erschien.

Die Korrespondenz aus dem Koffer beginnt nach Kriegsende und zeigt Schindlers mühsamen Lebensweg nach seiner Auswanderung nach Argentinien 1949. Die Herausgeberin untergliedert das Buch in verschiedene Themenbereiche, was zwar einerseits sinnvoll erscheint, da so die verschiedenen Schwerpunkte aus den Dokumenten herausgehoben werden. Andererseits sind einige Briefe und Themengebiete so doppelt und dreifach abgedruckt und die zeitliche Einordnung bedarf immer eines Blickes auf den Lebenslauf Schindlers im Anhang.

Die beiden bestimmenden Schwerpunkte in Schindlers Leben sind seine Freundschaften und seine finanziellen und gesundheitlichen Probleme. Dem Thema "Schindler und seine Freunde" widmet Rosenberg ein eigenes Kapitel. Zu seinen engsten Vertrauten zählten auf jeden Fall viele ehemalige "Schindler-Juden", wie Izak Stern, Jakob Sternberg, Moshe Bejski, Walter Pollack und Poldek Pfefferberg. Vor allem mit dem ehemaligen Buchhalter aus der Emaillefabrik, Izak Stern, verband Schindler eine tiefe Freundschaft.

Im April 1956 schreibt Schindler an Stern: "In unserem gemeinsamen "Gestern", lieber Izak, war ich so erfüllt von der fanatischen Überzeugung der Richtigkeit meiner Handlungen, als ich mich trotz aller Warnungen voll bewusst in eine Lage brachte, aus der es kein Zurück gab, sondern nur ein Durchstehen unter Anwendung aller Mittel, wie oft habe ich damals bei Dir Kraft geschöpft, in meiner inneren Verzweiflung, bei Dir, dem Schwächeren, Bedrohteren, in Deiner edlen Menschlichkeit, wo Dir Deine Gemeinschaft näher stand als Dein Ich." (S. 49 f.)

Schindler scheiterte sowohl in privater wie auch in geschäftlicher Hinsicht in Argentinien. Seine finanzielle Lage wird seitdem zum ständigen Thema seiner Korrespondenz, wobei er immer wieder seine Verbitterung darüber äußert, daß gerade er, der im Krieg seinen Kopf und sein Vermögen hingehalten hat, in einer solchen Lage ist: "Ich kenne einige "ganz Anständige", die heute wohl weit besser leben als ich, die aber im kritischen Augenblick versagten, deren innerer Schweinehund Oberhand bekam. Trotzdem hunderte Arbeiterinnen dieser Betriebe in Stutthof ertranken, Männer in Mauthausen zu Tode geschunden wurden, schreiten diese "ganz Anständigen" stolz erhobenen Hauptes durchs Leben" (S. 54)

Schindler kehrte schließlich 1957 nach Deutschland zurück, um dort Entschädigungszahlungen aus dem Lastenausgleich zu bekommen und suchte immer wieder nach Arbeitsmöglichkeiten, die in Verbindung mit Israel stehen sollten.

Dabei griff er immer wieder auf die Hilfe der ehemaligen "Schindler-Juden" zurück, die ihm gerne jede erdenkliche Hilfe zukommen ließen. In einem Brief an Stern schreibt er: "Lieber Izak, Du wirst gut verstehen, dass ich nur von jüdischer Seite Förderung erleben darf (die obendrein kein Geld kostet), so dadurch meine Position und mein Recht erlange. Als Bittsteller zu den neuen deutschen Herren zu gehen (es sind ja doch die alten, nur leicht demokratisch gefärbt und durch Marshallplan-Injektionen etwas aufgeblüht), ist mir unmöglich, denn eine derartige Handlung würde mir als Bankrott meines Ichs und den Verlust meines moralischen Sieges, den ich so teuer erkaufte, bedeuten." (S. 117)

1962 besuchte Schindler erstmals Israel und war vom begeisterten und herzlichen Empfang, den ihm "seine Schindler-Juden" bereiteten, überwältigt. In einem Dankes-Brief schreibt er, daß er seinen Freunden für diese herrlichen zwei Wochen ewig dankbar sein werde.

Seine finanzielle Notsituation verbittert ihn jedoch zunehmend, v.a. auch deshalb, weil, wie er schreibt, ehemalige SS-Generäle ihre Pensionen bekommen während er sich mit existenzvernichtenden Erniedrigungen herumschlagen muß. Die ständigen Geldsorgen macht er auch für seine steigenden gesundheitlichen Probleme verantwortlich, was nicht zuletzt daran liegen wird, daß er sich keine Krankenversicherung leisten konnte.

Über die letzten Lebensjahre Oskar Schindlers gibt der Inhalt des Koffers keine Auskunft, es wurden keine Briefe aus den letzten Jahren darin gefunden. Er scheint nur noch den Kontakt mit dem engsten Freundeskreis aufrecht gehalten zu haben und lebte bei der Familie Staehr, die ihn bei sich zu Hause aufnahm. Schindler starb am 9.10.1974.

Auf seinen Wunsch hin, wurde Oskar Schindler auf dem katholischen Friedhof am Zionsberg in Jerusalem bestattet. Sein Grab ist Millionen Zuschauern aus der Schlußszene von Spielbergs Film bekannt.

Auch der Film hat im übrigen eine interessante Vorgeschichte, die sich aus den Koffer-Fundstücken nachvollziehen läßt. Die erste Idee der Verfilmung von Schindlers Geschichte stammt von stammte von jüdischen Freunden aus Amerika, darunter Poldek Pfefferberg alias Paul Page, die den nach Amerika emigrierten Regisseur Fritz Lang 1951 darauf ansprachen. 1963 erfuhr dann der amerikanische Filmproduzent Martin Gosch von Schindler, wieder durch die Vermittlung von Pfefferberg, worauf es Ende 1964 auch zu einem Vertragsabschluß kam. Leider wurde die Verfilmung nicht realisiert, Schindler hätte neben der privaten Bestätigung auch den finanziellen Erlös dringend benötigt. Erst 1994, 20 Jahre nach Schindlers Tod, drehte Steven Spielberg die Geschichte der "Schindler-Juden".

Erika Rosenbergs Auswahl aus den Briefen und Dokumenten des Koffers eröffnen den Blick auf eine facettenreiche Persönlichkeit. Schindler war ein Mann, der immer sehr genau darauf geachtet hat, wie die Leute über ihn denken, der seine Freundschaften pflegte und sie auch in Anspruch nahm. Kein einfacher Mensch, nicht einfach zu verstehen. Ein "Gerechter", dessen Lebensweg nach dem Krieg vor allem eine Geschichte von Enttäuschungen, Mißachtungen und Notlagen ist.

Anm. (dg): Während ihres letzten Aufenthalts in Bayern erwähnte Frau Schindler (93), sie würde ihre letzten Lebensjahre gerne in einem Altersheim verbringen. 
Sehr gerne bliebe sie in Regensburg, wo sie nach dem Krieg einige Jahre zugebracht hatte. Durch ihre schlechte finanzielle Situation könne sie sich ein solches Heim jedoch nicht leisten. Kein Politiker, weder in Bayern, noch sonstwo in Deutschland fand sich zuständig, Frau Schindler eine Unterstützung zuzusagen. 
Ganz im Gegensatz dazu lebte Anton Malloth, einer der schrecklichsten SS-Verbrecher des Lagers Theresienstadt, in Pullach b.München jahrelang in einem Altersheim des paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Während er Sozialhilfe erhielt standen ihm zudem die Einnahmen aus seinem Mehrfamilienhaus in Meran zur Verfügung. Die Tochter Heinrich Himmlers, Reichsführer SS, kümmerte sich persönlich um das Wohlergehen des "schönen Toni". Seit einem Jahr sitzt Anton Malloth in der JVA München-Stadelheim.

 
Erika Rosenberg (Hrsg.):
Ich, Oskar Schindler. Die persönlichen Aufzeichnungen, Briefe und Dokumente

Herbig Verlag München 2001
ISBN 3-7766-2204-0
Euro 24,90

Erika Rosenberg (Hrsg.):
Ich, Emilie Schindler. Erinnerungen einer Unbeugsamen

Herbig Verlag München 2001
ISBN
3-7766-2230-X
Euro 17,50

haGalil onLine 07-05-2001

  • In Schindlers Schatten
    Emilie Schindler erzählt ihre Geschichte
    KIWI 5.ed. '99 tb DM16.90


     
  • Das Mädchen im roten Mantel
    von Roma Ligocka

    In Krakau wird 1938 ein kleines Mädchen geboren, während in Deutschland die Synagogen brennen. Sie ist noch kein Jahr alt, als ihre Eltern den Judenstern tragen müssen. Die erste Realität, die sie kennenlernt, ist die Realität des Grauens - für sie die Normalität: Ihre Welt besteht aus Schreien, Schüssen und Toten. 
    Mit den Augen eines Kindes beschreibt Roma Ligocka, wie aus einer Kindheit, die behütet und wohlhabend hätte sein sollen, ein Alptraum wird. Kurz vor der Liquidierung des Krakauer Ghettos kann sie mit ihrer Mutter fliehen. Der rote Mantel des Mädchens rettet ihnen das Leben, weil "die kleine Erdbeere" eine polnische Familie so rührt, dass sie den beiden Unterschlupf gewährt. Mit falschen Papieren und blond gefärbten Haaren überlebt die kleine Roma die Nazi-Zeit. 
    Im stalinistischen Polen kommt sie mit vielen bedeutenden Literaten und Künstlern in Kontakt, auch aus dem polnischen Widerstand. Geprägt durch dieses künstlerische Milieu emigriert sie nach Deutschland. Viele Jahre später sieht sie in Spielbergs Film Schindlers Liste die berühmte Szene mit dem kleinen Mädchen im roten Mantel. Da bricht die Erinnerung durch und sie erkennt sich wieder: Sie ist dieses Mädchen. 
    Die außergewöhnliche Geschichte einer sensiblen und begabten Frau zwischen den Schatten einer traumatischen Kindheit und einem farbigen Künstlerleben. Eindrucksvoll und vor allem gefühlsvoll ist die Schilderung der Kindheitsjahre. Man wird von der Hoffnung auf ein Ende der Verfolgung mitgerissen und freut sich, wenn es soweit ist. Doch dass das Leben nicht aus Heldentum und Happy End besteht wird einem spätestens klar, wenn die Nachkriegsjahre beschrieben werden. 
    Dieses Buch ist vor allem biographisch und hat somit ein Großteil der Bitterkeit des Lebens in sich und macht einem somit klar, dass trotz aller Freude über das Ende des zweiten Weltkrieges die Welt nicht in Ordnung war und auch, dass Überwindung kein Ereignis, sondern ein Prozess ist. Wer also Lust hat, sich nicht nur Unterhalten zu lassen, sondern auch etwas über das Leben zu erfahren, der ist mit diesem Buch gut beraten, zumal es ebenso die Schrecken des NS-Regimes, wie auch die Taubheit der Nachkriegsjahre treffend beschreibt. 
    Das alles ist passiert, es ist kein Hollywoodfilm und es hat kein Ende, weil es noch nicht zuende ist. Das Leben geht weiter...

 


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